Vereinbarkeit von Homeoffice und familiären Betreuungsverpflichtungen während der COVID-19-Pandemie

Die COVID-19-Pandemie stellt die Gesellschaft vor Herausforderungen. Die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit lag schon vor der Krise überwiegend auf den Schultern von Frauen und stellt eine Mehrfachbelastung dar. Die Krise verstärkt diese strukturellen Ungleichheiten.

Dazu erklärt die gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE Marzahn-Hellersdorf, Sarah Fingarow:

Eine gleichstellungspolitische Perspektive ist dringend notwendig, jedoch in der aktuellen Debatte zur Bewältigung der Krise allzuoft abwesend. Das aus 24 Männern und nur 2 Frauen bestehende Gremium der „Leo­poldina - Nationale Akademie der Wissenschaften“ beispielsweise, das in dieser Woche die Stellungnahme zum Umgang mit dem Corona-Virus verfasst hat, nimmt keinen Bezug auf diese Fragen.

Im Zuge der bundesweiten Schul- und Kitaschließungen wurde der Alltag von Familien mit Kindern von einem auf den anderen Tag auf den Kopf gestellt und musste binnen kürzester Zeit neu organisiert werden: die häusliche Betreuung von Kindern im Kita-Alter, die Unterstützung von Schulkindern beim Online-Lernen, die anfallende Hausarbeit, die Organisation der Mahlzeiten sowie die täglichen Freizeitbeschäftigungen, die auf Grund der öffentlichen Einschränkungen auf die eigenen vier Wände beschränkt sind. Diese Arbeiten liegen oftmals in Frauenhand. Gleichzeitig geht die Erwerbsarbeit im Home Office für viele weiter.

Homeoffice zählt als Kinderbetreuung, auch für Menschen in systemrelevanten Berufen. Das heißt, wenn die Mitarbeiterin vom Jugendamt im Home Office arbeitet, darf sie ihr 2-jähriges Kind nicht in die Kita geben, obwohl sie Anspruch hätte, wenn sie dieselbe Arbeit im Büro verrichten würde. Systemrelevante Arbeit, die aktuell nicht ruhen kann, muss wegen der Mehrfachbelastung teilweise nachts erledigt werden, da andere Formen der privaten Kinderbetreuung derzeit nicht erlaubt sind (zum Beispiel bei den Großeltern). Alleinerziehende sind hier ganz besonders betroffen, da sie die Arbeiten mit niemanden teilen können.

Nicht nachvollziehbar ist ebenso, dass aktuell zum Beispiel Mitarbeiter*innen in Suchthilfestellen, Frauenhäusern oder Kitas der so genannten 2-Eltern-Regelung unterliegen, d.h. es braucht - falls vorhanden - zwei Elternteile, die in systemrelevanten Bereichen arbeiten, um Anspruch auf Notfallbetreuung haben. Dabei wird die Arbeit nicht weniger, im Gegenteil: Aktuelle Zahlen der Polizei zeigen zum Beispiel schon jetzt einen zehnprozentigen Anstieg von häuslicher Gewalt im Vergleich zum Neujahr. Ich begrüße die Planungen des Senats, weitere Berufsgruppen in die Ein-Eltern-Regelung aufzunehmen. Welche diese sind, ist noch nicht klar. 

Weiter gilt, wer sein Kind betreut und nicht arbeiten kann, hat enorme Einkommenseinbußen, gleichzeitig aber Mehrausgaben für Verpflegung, ggf. pädagogisches Spielzeug, Bastelmaterial usw. - alles, was sonst z.B. eine Kita bereitstellt. Gerade Kinder brauchen soziale Kontakte. Wenn die Kitas bis zum Sommer geschlossen blieben, braucht es i.d.R. eine neue Eingewöhnungszeit für die Kinder. Da ist Ganztagsbetreuung ab dem 1. Tag nicht möglich. Auch das bedeutet dann, dass die Eltern wieder nur eingeschränkt arbeiten können.

Um auf die aktuell verschärften gleichstellungspolitischen Herausforderungen zu reagieren, fordert die Fraktion DIE LINKE Marzahn-Hellersdorf das Bezirksamt auf, sich bei den zuständigen Stellen für folgende Forderungen stark zu machen:

  • Eltern müssen mehr Ansprüche auf Betreuung haben und gleichzeitig vollumfänglich weiterbezahlt werden, auch wenn sie wegen der Betreuung nicht vollumfänglich arbeiten können.
  • Alleinerziehenden, denen keine Freistellung ermöglicht wird, sollte die Notfallbetreuung für Kinder geöffnet werden.
  • Homeoffice darf nicht als Betreuung zählen, besonders nicht in systemrelevanten Bereichen.

Die Fraktion DIE LINKE unterstützt außerdem ausdrücklich die Stellungnahme des Landesfrauenrats Berlin e.V., der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten der Berliner Hochschulen und Universitätsklinika des Landes Berlin (LaKoF), der Überparteilichen Fraueninitiative (ÜPFI) und der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Berliner Bezirke (LAG), die schreiben:

Kinderbetreuung ist kein privates Problem! In der jetzigen Situation, in der eine öffentliche Kinderbetreuung nur sehr eingeschränkt möglich ist, sollten Menschen, die Sorgearbeit leisten, umfassend beruflich entlastet werden, ohne dafür persönliche Einbußen in Kauf nehmen zu müssen.