"Ohne eine Aussicht auf Altschuldenerlass bei Gewährleistung eines ausgeglichenen Haushaltes, wird es kaum noch möglich sein, den gesetzlichen Aufgaben des Bezirkes nachzukommen."

Rede von Bjoern Tielebein, haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion, zum Bezirkshaushalt 2012/2013

Rede von Bjoern Tielebein, haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion, zum Bezirkshaushalt 2012/2013

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste,

der Finanzstadtrat hatte zur 1. Lesung des Bezirkshaushaltsplans gesagt, wir würden den wohl schwierigsten Haushalt seit Jahren behandeln.

Die zurückliegenden Ausschussberatungen haben dies denke ich sehr deutlich unterstrichen.

Lassen Sie mich zunächst etwas zu den Rahmenbedingungen unserer Haushaltsberatung sagen.

Die Finanzsituation ist im gesamten Land Berlin weiterhin angespannt.

Die Sparanstrengungen des ehemaligen rot-roten Senats in den letzten 10 Jahren, der mit den Hinterlassenschaften einer CDU-SPD-Regierung zu kämpfen hatte, haben erkennbar dazu geführt, dass zwar neue Handlungsspielräume im Land entstanden sind, dennoch hat sich die finanzielle Ausstattung der Bezirke nicht verbessert.

Im Gegenteil. Immer wieder haben BezirkspolitikerInnen angemahnt, dass weitere massive Einsparungen in den Bezirksetats dazu führen, dass die Bezirke de facto handlungsunfähig werden und ihre notwendigen Aufgaben nicht mehr erfüllen können.

Und hierbei handelt es sich vordergründig um jene Aufgaben, die unmittelbar die Bürgerinnen und Bürger betreffen.

Ich will jetzt nicht weiter auf die Frage eingehen, inwiefern auch die Bundesebene die Verantwortung für die finanzielle Situation der Länder trägt.

Allerdings möchte ich anmerken, dass die schwarz-gelbe Steuerpolitik keinerlei soziales Bewusstsein erkennen lässt.

Einseitige Abgabensenkungen und nicht zuletzt die Schuldenbremse erhöhen den jetzt schon unerträglichen Druck auf den Landeshaushalt, und die Bezirke, also die Ebene, die direkt für die soziale Infrastruktur vor Ort zuständig ist, leidet darunter am stärksten.

 

Nun zu unserem Bezirk.

Der vorliegende Entwurf des Bezirkshaushaltsplans 2012/2013 ist auch ein Ergebnis der Anstrengungen der vergangene 10 Jahre.

Alle im Bezirksamt verantwortung-tragenden Parteien haben die Konsolidierung des Haushaltes vorangetrieben.

Ziel war es, in Ein-und Ausgaben ausgeglichene Finanzen für den Bezirk zu erreichen, die soziale – kulturelle Infrastruktur zu erhalten, aber auch weiter zu entwickeln und wenn möglich Altschulden abzubauen.

Letzteres erschien bislang als einzige Möglichkeit, den Senat zu überzeugen, dem Bezirk eine Perspektive auf Streichung dieses Schuldenlast abzuringen.

Davon ist jedoch bislang nichts zu erkennen.

Waren wir vor Jahren noch allein auf weiter Flur mit dieser Last, hat inzwischen ein Großteil der Bezirke mit sich anhäufenden Defiziten zu kämpfen, die aktuellen Beratungen in Pankow und Mitte zeigen dies deutlich.

Ich will dies hier sehr deutlich benennen: Ohne eine Aussicht auf Altschuldenerlass bei Gewährleistung eines ausgeglichenen Haushaltes, wird es kaum noch möglich sein, den gesetzlichen Aufgaben des Bezirkes nachzukommen, den Bürgerinnen und Bürgern die Leistungen zur Verfügung zu stellen, die zu einer lebensfähigen Kommune gehören.

Hier bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller demokratischer Parteien in den Bezirken.

Denn andernfalls braucht Berlin keine kommunale Selbstverwaltung und bedarf es keiner starken Bürgernahen Bezirke, wenn diese letztlich handlungsunfähig sind.

Wir haben die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung angenommen.

Wir tilgen Altschulden, dazu gibt es in diesem Hause derzeit einen breiten Konsens.

Aber auf Kosten der baulichen Unterhaltung, auf Kosten dringend notwendiger Investitionen.

Dies führt zu einer maroden Infrastruktur, die hinterher wesentlich höhere Kosten verursachen wird, um diese wieder instand zusetzen, wenn sie dann überhaupt noch vorhanden ist.

 

Meine Damen und Herren,

der vorliegenden Planentwurf sichert für die kommenden zwei Jahre die Arbeit der sozialen Stadtteilzentren.

Das weiterhin hohe strukturelle Defizit im Schulbereich konnte durch alle Bereiche einvernehmlich ausgeglichen werden.

Jugendfreizeiteinrichtungen, Familienzentren und das Freizeit Forum Marzahn werden ihre Arbeit für Bürgerinnen und Bürger weiterführen können.

Jedes Kind in unserem Bezirk wird auch weiterhin zeitnah einen Kindergartenplatz bekommen und auch in diesem Jahr wurden weitere KITAS eröffnet, um der positiven Entwicklung, dass wir als Bezirk auch wieder jünger werden, gerecht zu werden.

Der Migrationssozialdienst ist im Plan ausfinanziert und die Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus wird ihre Arbeit fortsetzen.

 

Doch dieser Haushalt birgt auch ganz offensichtliche und versteckte Risiken.

Kommen die 50 Mio. Euro für die Bezirke oder kommen sie nicht? Eine Frage, die abschließend niemand beantworten kann, spannenderweise auch nicht die VertreterInnen jener Parteien, die den derzeitigen Senat stellen.

Doch selbst wenn die Zusage der Koalition eingehalten wird, ist dies lediglich ein Tropfen auf einen ziemlich heißen Stein, gehen die BezirksbürgermeisterInnen doch tatsächlich von mind. 111 Mio. € aus, die in den Bezirken dringend fehlen.

 

Der Kulturbereich ist objektiv unterfinanziert.

Auf der einen Seite gibt es eine hohe Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger an unsere bezirklichen Kulturlandschaft in die ich die ausdrücklich Musikschule einschließe.

Auf der anderen Seite sind in dem Bereich nicht die notwendigen Mittel eingestellt diese Landschaft angemessen auszustatten.

Die Bibliotheken, die wir LINKE als Bildungseinrichtungen verstehen, haben offenbar noch nicht den Stellenwert in diesem Hause, wie es aus Sicht vieler BewohnerInnen unseres Bezirks notwendig ist.

Wir begrüßen ausdrücklich die gemeinsam erarbeitete Lösung, die gestern im Hauptausschuss zur Stadtbibliothek Kaulsdorf gefunden wurde.

Doch wir brauchen auch in diesem Bereich langfristige wirtschaftliche Konzepte und eben auch die Finanzen, um ein Bibliotheksnetz zu sichern.

Das Projekt Schloss Biesdorf ist keine alleinige Angelegenheit des Kulturbereiches, das war hier immer Konsens.

Und auch wenn ich die ebenfalls gestern im Hauptausschuss verabredete Lösung zur Finanzierung der Betriebskosten ebenfalls begrüße, will ich klar sagen, dass es auch weiterhin einer kollegialen Anstrengung im gesamten Bezirksamt bedarf, dieses Projekt umzusetzen. Allein der Kulturbereich wird dies nicht heben können.

Die Hilfen zur Erziehung sind zwar nach dem durch LINKE StadträtInnen erkämpften Zuweisungsmodell eingestellt, dennoch bleibt auch hier ein Risiko. Trotz dem individuellen durch Bundesgesetz verbrieften Rechtsanspruch sauf die Hilfen, die erforderlich sind, bleibt es auch weiterhin bei der lediglich 50 %igen Abfederung möglicher Mehrausgaben durch das Land.

Fachlich gebotene zusätzliche Mittel für die Prävention ließ der Gesamthaushalt nicht zu.

Ich hoffe, dass sich JugendpolitikerInnen aller Fraktionen hier auch weiterhin stark machen werden, damit Angebote wie die Eltern-AG, die offene Kinder- und Jugendarbeit, die Arbeit der StreetworkerInnen und der Familiengutschein die notwendige Beachtung finden.

Die angemessene Bewirtschaftung bezirklicher Grünflächen ist alles andere als gewährleistet. Der Neubau notwendiger Spielplätze gerade in den Siedlungsgebieten wird vorerst nicht zu realisieren sein.

Im Haushaltsplan sind Einnahmen aus dem Straßenausbaubeitragsgesetz vorgesehen, hier ist der Bezirk in Vorleistung gegangen.

Bis heute haben wir jedoch keine konkrete Aussage der Koalition auf Landesebene, wie die Abschaffung des Gesetzes vollzogen werden soll.

Sollte auch rückwirkend die Erhebung der Beiträge ausser Kraft gesetzt werden, müssen wir auf diese geplanten Einnahmen verzichten.

Ich gehe jedoch davon aus, dass der zuständige Bezirksstadtrat seinen Einfluss geltend machen wird und hier im Sinne des Bezirkes an einer Lösung arbeitet.

Und nicht zuletzt muss die Personalentwicklung im Bezirksamt betrachtet werden. Der Wegfall zahlreicher Personalstellen in den vergangenen Jahren macht sich auch in der Gewährleistung bezirklicher Aufgaben deutlich.

Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Ihre Arbeit ist nicht weniger geworden, sie muss nur von wesentlich weniger Menschen gemacht werden.

Die vom Land angestrebten 20.000 MitarbeiterInnen in Berlin sind vielmehr eine angestrebte Haushaltsgröße, als eine aufgabenkritische Betrachtung dessen, was die Bezirke leisten müssen.

Ob bei Bibliotheken oder Bürgerämter, die Frage wie viel bürgernahe Infrastruktur noch zu leisten ist wird immer drängender durch die Personalentwicklung bestimmt.

 

Meine Damen und Herren,

die Linksfraktion hat die Beratungen zum Haushalt 2012/2013 in den Ausschüssen kritisch begleitet.

Wir haben, und das war in anderen Haushaltsdebatten nicht anders, dort den Finger in die Wunde gelegt, wo aus unserer Sicht Nachbesserungen am Entwurf notwendig sind.

Hierbei ging es um das dringend notwendige, denn Sonderwünsche sind bei einem derart eng gestrikten Plan kaum möglich.

Und liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, auch wenn es durchaus wünschenswert ist, dass wir für Veranstaltungen im Integrationsbereich mehr Mittel zur Verfügung stellen, darf nicht vergessen werden, dass auch der Behindertenbeauftragte und die Frauenbeauftragte für ihre Arbeit finanzielle Unterstützung brauchen.

Es ist schon etwas merkwürdig, wenn für die ehrenamtliche Tätigkeit des Frauenbeirates offenbar nicht die Mittel veranschlagt wurden, die zunächst einmal notwendig sind (es geht hier um gerade mal 1000€ die fehlen), auf der anderen Seite jedoch eine Umverteilung von 16.000 € aus dem IT-Bereich für die Integrationsbeauftragte erfolgt.

Es ist gelungen, eine mit allen Fraktionen einvernehmliche Lösung der von uns aufgeworfenen Schwerpunkte zu finden.

Wir sollten diese kollegiale Art gerade in Fragen des Haushaltes fortsetzen.

Gerade weil die Ausstattung der Bezirke sich wohl kaum entspannen und die genannte Altschulden-Last nicht allein durch den Ruf nach Konsolidierungskonzepten zu lösen sein wird, brauchen wir parteiübergreifende Verständigungen.

Es ist zu definieren, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit wir als Bezirk unseren Aufgaben heute und in Zukunft gerecht werden können!

Eine Politik, die nur noch von kurzfristigem „Angstsparen“ beherrscht wird und eine marode Infrastruktur zurück lässt, deren Folgekosten wir nicht absehen können, muss ein Ende finden, sonst werden die Kosten einer wachsenden sozialen Spaltung in der Zukunft explodieren!


Die Fraktion DIE LINKE wird mehrheitlich dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2012/2013 zustimmen.

Ich respektiere außerordentlich, dass es auch Mitglieder meiner Fraktion gibt, die dies nicht tun werden.

In den Ausschussberatungen ist deutlich geworden, dass es auch viele gute Gründe gibt, einen solchen Haushaltsplan abzulehnen.

Alle im Bezirksamt vertretenden Parteien stehen in der Verantwortung für die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Bezirks.

Auch wenn unterschiedliche Parteien für unterschiedliche Fachbereiche verantwortlich sind, kann es niemandem egal sein, ob Schulen nicht saniert werden können oder Bibliotheken schließen müssen.

 

Meine Damen und Herren,

Daher erwarten wir, einen Dialog auf Augenhöhe und werden unsere Vorstellungen von der Gestaltung bezirklicher Politik in diesen einbringen.

Ich danke Ihnen!