Erklärung zur jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer

Wir müssen uns alle dafür stark machen, das Sterben an den EU- Außengrenzen zu beenden. Wir sollten uns dafür einsetzen, legale, gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge zu öffnen. Erst Anfang dieser Woche gerieten wieder mehr als 200 Flüchtlinge in Seenot. All diese Tragödien müssen wir öffentlichen machen. Den Opfern ein Gesicht geben.

Im Folgenden die in der heutigen BVV-Sitzung verlesene persönliche Erklärung unserer Verordneten Nadja Hirseland zur Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer:

Über 1100 Menschen sind in einer Woche ertrunken. 1100 sind Menschen tot.  Es sind Menschen ohne Gesichter, ohne Namen. Menschen für die keine Trauergottesdienste abgehalten werden. Kein kollektives Entsetzen in Europa. Angehörige zu denen niemand reist, Opfer, die keiner zu verhindern suchte. Es sind Flüchtlinge. Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa fliehen, um hier ein sicheres, besseres Leben zu finden. Ein Leben ohne Bürgerkriege, ohne existentielle Armut, ohne Angst. Dafür nehmen sie unglaublich viel in Kauf, wenn sie in die überfüllten Boote nach Europa steigen. Auch ihren Tod. Man sollte darüber nachdenken, welch Schrecken und welche Angst man erlebt haben muss, um den eigenen Tod in Kauf zu nehmen auf der Suche nach einem sicheren Leben in Europa. Die runtergekommenen Fluchtboote werden sicher nicht leichtfertig bestiegen - und doch sind sie oftmals die einzige Chance.

Nachdem im Herbst 2013 400 Geflüchtete im Mittelmeer ertranken, rief Italien das Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum ins Leben – und zahlte es alleine. Das Programm konnte bis zu seiner Einstellung im Oktober 2014 140.000 Menschenleben retten. Italien bat immer wieder darum, die Kosten für die Seenotrettung solidarisch unter den EU-Mitgliedstaaten zu verteilen. Die anderen EU-Mitgliedsstaaten lehnten dies stets ab. Innenminister De Maizière übte damals scharfe Kritik an Mare Nostrum und bezeichnete das Programm als Brücke nach Europa, was nur noch mehr Anreiz schaffe, in die EU zu fliehen. Er war dafür, das Programm einzustellen.

Nun sind in einer Woche 1100 Menschen gestorben. Ertrunken, weil es keine ausreichende Seenotrettung mehr gibt. Menschen, die so oder so fliehen, weil sie nicht mehr anders können - diese Menschen fliehen auch ohne mare Nostrum. Und sie starben, weil es das Programm nicht mehr gibt. Mit Mare Nostrum hätte ihr Leben vielleicht gerettet werden können. Für die poltische Verantwortlichen waren schnell andere Schuldige gefunden: die Schlepper. Man macht es sich zu einfach, wenn man jetzt sagt die Schlepperkriminalität müsse bekämpft werden.

Wir müssen uns alle dafür stark machen, das Sterben an den EU- Außengrenzen zu beenden. Wir sollten uns dafür einsetzen, legale, gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge zu öffnen. Erst Anfang dieser Woche gerieten wieder mehr als 200 Flüchtlinge in Seenot.  All diese Tragödien müssen wir öffentlichen machen. Den Opfern ein Gesicht geben. Nicht mehr wegsehen. Es ist auch unsere Aufgabe den Druck zu erhöhen. Europa darf  den Tod von Tausenden nicht mehr in Kauf nehmen. Das EU-Parlament muss sofort die benötigten finanziellen Mittel bereitstellen. Das Sterben darf nicht weitergehen.