Gedenkwoche zur Erinnerung an die Reichspogromnacht - eine persönliche Erklärung

Marzahn-Hellersdorf

Persönliche Erklärung der Verordneten Sabine Schwarz in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 15. November 2018 anlässlich der Gedenkwoche zur Erinnerung an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren:

Vor nunmehr 80 Jahren, ungefähr zu dieser Zeit, als das Novembergrau der Abendstunden das Bild der Städte in Deutschland bestimmte, nahm der grausame Höhepunkt einer Jahrhundertewährenden Judenverfolgung hier in Deutschland seinen Anfang. Es loderten Synagogen, in Brand gesetzt von SS und SA, es splitterte das Glas der zerstörten Schaufenster jüdischer Geschäfte, Fenster der Wohnungen jüdischer Menschen, eingeschlagen von den Schergen des Nazistaates. Von diesem Tag an wurden jüdische Menschen systematisch mit einer perfiden und ausgeklügelten Maschinerie verfolgt, verschleppt, deportiert, getötet, möglich gemacht auch durch viele Deutsche, die Mitläufer waren oder einfach weggeschaut hatten. Ziel war die Auslöschung, die Vernichtung des gesamten jüdischen Volkes, aller jüdischen Menschen, vom Baby bis zum Greis.

Das Marzahn-Hellersdorfer Bündnis für Demokratie und Toleranz am Ort der Vielfalt Marzahn-Hellersdorf hat aus diesem Anlass eine Gedenkwoche für die Opfer der Novemberpogrome 1938 organisiert.

Mit Partnern aus den demokratischen Parteien, mit engagierten Lehrerinnen, Menschen aus Kirchen, dem Quartiersmanagements und anderen öffentlichen Einrichtungen haben wir eine Woche lang in Veranstaltungen, mit Filmvorführungen und Gesprächsrunden der Opfer dieses dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte gedacht.

Auftakt der Gedenkwoche war in der Ernst Haeckel Oberschule in Hellersdorf, einer Schule ohne Rassismus/Schule mit Courage. Zu Gast war Dotschy Reinhard, eine Künstlerin und Vertreterin der Sinti und Roma in Deutschland, die mit ihren Liedtexten und den klaren Worten noch einmal einen anderen Blickwinkel auf die Geschehnisse von damals, und was diese für heute bedeuten, legte. Schüler*innen und Lehrer*innen, mit denen wir ins Gespräch gekommen waren, beeindruckten uns, wie sie vehement und mit phantasie- und ideenreichen Projekten sich schon seit vielen Jahren für einen freundlichen, toleranten, weltoffenen Bezirk engagieren.

Ein Höhepunkt war die Vernissage der Ausstellung „Stolpersteine in Marzahn-Hellersdorf“, gewidmet jenen Jüdinnen und Juden, die hier gelebt hatten, die deportiert und die meisten von ihnen ermordet wurden. Sie gibt Auskunft über die Schicksale dieser Menschen und ist noch bis zum 27. Januar 2019 in der Mark-Twain-Bibliothek zu sehen. Sie sind herzlich eingeladen.

Seinen beeindruckenden Abschluss fand die Gedenkwoche anlässlich der Novemberpogrome vor 80 Jahren am vergangenen Sonntag mit der Aufführung des Stücks „Die Judenbank“ mit dem großartigen Schauspieler Peter Bause. Er hat mit diesem Theaterstück alles gezeigt: die Verführung, die Verfolgung, das Grauen, den Schrecken. Ein Beispiel dafür, was Tyrannei bedeutet - auch, wie der Gerechtigkeitssinn der Menschen sie letzten Endes durchschauen kann.

Denn heute gibt es schon wieder Kräfte, die die Absicht verfolgen, dass es wieder gesellschaftsfähig wird, dass Menschen auseinanderdividiert, kategorisiert, dass sie gegeneinander aufgehetzt werden.

Darum gab es uns ein gutes Gefühl, dass wir während der Gedenkwoche viele Marzahn-Hellersdorfer*innen getroffen haben, vor allem junge Leute, die sich dafür einsetzen, dass Menschen nie wieder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur, Religion oder Ethnie, wegen ihrer Herkunft, ihres Aussehens oder einer Einschränkung, weil sie arm sind, herabgewürdigt und angegriffen werden,

Eine Schülerin fasste es so zusammen: Es wäre gut, jedes Jahr das Thema mit beispielsweise einem Film zu behandeln, darüber zu sprechen, damit wir nicht vergessen, dass wir es nicht vergessen dürfen.

Genauso ist es, meine Damen und Herren, uns bleibt gar nichts anderes übrig, wir müssen uns erinnern, wir dürfen nicht vergessen, wenn wir Menschen sein wollen und nicht nur „…ein Häuflein Dreck…“, wie es Astrid Lindgren einmal so treffend formulierte.

Sabine Schwarz
Sprecherin für Behindertenpolitik und Inklusion